Viele Frauen, die unter Vaginismus leiden, erhalten von ihrem Gynäkologen die Diagnose, vollkommen gesund zu sein, und ergeben sich daher stillschweigend ihrem Schicksal. Der langfristige Verzicht auf Geschlechtsverkehr und den Gebrauch von Tampons ist jedoch keinesfalls notwendig, denn mit gezielten Maßnahmen lässt sich Vaginismus behandeln. Dabei ist nicht nur eine sensible und umfassende Betreuung durch einen erfahrenen Gynäkologen und Physiotherapeuten, sondern oft auch eine psychotherapeutische Behandlung notwendig, vor allem dann, wenn dem Vaginismus traumatische Erlebnisse zugrunde liegen.
Es spielt keine Rolle, ob es sich um eine primäre oder sekundäre, eine generelle oder situationelle Ausprägung dieser Störung handelt, denn Frauen können mit ärztlicher Hilfe und gezielten Übungen viel tun, um die Muskulatur der Scheide schrittweise zu desensibilisieren. Von dem Einsatz von Medikamenten, wie etwa örtlicher Betäubungsmittel ist in jedem Fall abzuraten, denn dadurch wird zwar der Schmerz unterbunden, die erfolgreiche Überwindung der Ursachen wird dadurch jedoch erheblich erschwert.
Erster Schritt: Psychotherapeutische Beurteilung
Wenn sich Muskelkrämpfe in der Vagina immer im Zuge sexueller Kontakte bemerkbar machen, kann dies die Partnerschaft ernsthaft gefährden. Depressionen, das Gefühl emotionaler Isolation und chronischer Stress sind für die betroffenen Frauen oft Folgen von Vaginismus. Gleichzeitig kann es aber auch sein, dass die Ursachen des Vaginismus im alltäglichen Zusammenleben mit einem Partner liegen oder aus vergangenen negativen sexuellen Erfahrungen resultieren. Daher ist es besonders wichtig, dass die betroffenen Frauen sich an einen Psychotherapeuten wenden, um die genauen Auslöser für die Erkrankung zu definieren und gegebenenfalls eine gezielte Behandlung seelischer Probleme einzuleiten.
Auch wenn das Beziehungsleben aufgrund des gestörten Sexuallebens aus dem Gleichgewicht gerät, sollte unbedingt die Betreuung eines Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden, idealerweise zusammen mit dem Partner. Dabei können die Gefühle, Ängste und das Verhalten während des Sexualverkehrs analysiert und aufgelöst und damit verbundene seelische Probleme behandelt werden. Eine besonders effektive Form der psychologischen Betreuung, die vielen Vaginismus-Patientinnen hilft, ist die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie, deren Gegenstand die Beziehung zwischen Gedanken und Verhalten darstellt.
Physiotherapie zur Behandlung der verkrampften Scheidenmuskulatur
Jeder umsichtige Gynäkologe wird seine Vaginismus-Patientin an einen Physiotherapeuten überweisen, der im Bereich sexueller Fehlfunktionen Erfahrung hat. Im Zuge der Physiotherapie werden verschiedene Übungen sowie Entspannungstechniken wie Autogenes Training erlernt, um die Beckenbodenmuskulatur zu lockern und zu kontrollieren. Besonders mit dem sogenannten Biofeedback können in der Behandlung von Vaginismus beachtliche Erfolge erzielt werden. Gleichzeitig macht der Physiotherapeut die Patientin mit dem Gebrauch von Vaginaldilatoren vertraut, die zuhause schrittweise angewandt werden, um die Vagina langsam zu dehnen und dadurch auf den Geschlechtsverkehr beziehungsweise das Eindringen des Penis vorzubereiten.
Übungen und Maßnahmen für zuhause
Der konsequente Einsatz von Vaginaldilatoren gilt als eine der effektivsten Methoden, um Vaginismus behandeln zu können. Diese konisch geformten langen Stäbe mit glatter Oberfläche sind in unterschiedlichen Größen erhältlich, um die Vagina schrittweise zu weiten. Vaginaldilatoren werden behutsam von der betroffenen Frau selbst oder von ihrem Partner in die Scheide eingeführt, um die Beckenbodenmuskulatur an einen „Eindringling“ zu gewöhnen. Für betroffene Frauen ist zudem wichtig, die eigene Vagina kennenzulernen, um die Muskelbewegungen in dieser Körperregion besser kontrollieren zu können.
Eine einfache Übung, die am besten mehrmals täglich durchgeführt wird, ist das Einführen eines mit natürlichem Öl oder Gleitmittel bedeckten Fingers. Dieser sollte immer nur soweit eindringen, dass es nicht zu unangenehmen Gefühlen kommt. Durch Anspannung der Muskulatur wie beim bewussten Zurückhalten von Urin können die Beckenbewegungen durch das Drücken auf den Finger bewusst wahrgenommen werden. Sanfte kreisförmige Bewegungen des Fingers und leichte Massagen der Scheidenmuskulatur sollten schrittweise intensiviert werden, wenn die Frau sie als angenehm empfindet. Mit der Zeit gewöhnt sich die Scheide allmählich an diese Gefühle und kann auch mehrere Finger, einen größeren Vaginaldilator oder vielleicht sogar einen Dildo aufnehmen.
Zeigt sich ein deutlicher Fortschritt, sollten diese Übungen durch die in der Physiotherapie erlernten Atem- und Entspannungstechniken begleitet werden und auch den Partner miteinbeziehen, um ihm ein Gefühl für den richtigen Umgang beim Sex zu vermitteln und das Problem schließlich gemeinsam zu überwinden.